Der Lkw der Zukunft – Teil 1: Alternative Antriebe

 

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Der Onlinehandel boomt, rund um den Warenverkehr schnellen immer neue Logistikzentren aus dem Boden und der Bedarf an Speditionsdienstleistungen steigt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur prognostiziert auch weiterhin eine jährliche Wachstumsrate für Transportleistungen in Deutschland von mehr als 3%. Vor diesem Hintergrund gewinnen Themen wie Umweltschutz, Fahrermangel, Kosten- und Zeitdruck weiter an Bedeutung. Neben immer besseren Lagerverwaltungs- und Logistikprogrammen, professionellen Flottenmanagementlösungen und Zulaufsteuerungen bedarf es nicht länger nur optimierter Software, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Auch der Lkw selbst muss zum Objekt der Optimierung werden. Dabei prägen neben Vernetzung vor allem alternative Antriebe und Automatisierung die Modelle und Studien der Lkw-Hersteller und Zulieferer. Im ersten Teil unseres Beitrags berichten wir über den aktuellen Stand bei den Lkw-Herstellern. 

 

Alle sind dabei - die ersten alternativ betriebenen Brummis rollen bereits.

 

Spätestens seit der Energiewende sind elektrisch oder von Brennstoffzellen betriebene Lkw keine Utopie mehr. Allenthalben bemühen sich die Hersteller, teil- bzw. vollelektrische Modelle zu entwickeln. Nachdem Mercedes-Benz den vollständig elektrisch betriebenen eActros für zwei Jahre im Verteilerverkehr getestet hat, geht das Modell 2021 in Serie. Laut Hersteller schafft das Fahrzeug mit einer vollen Batterieladung weit über 200 km. 

 

Der schwedische Hersteller Scania hat sich ähnlich viel vorgenommen und bringt aktuell jeweils ein elektrisches P- sowie L-Modell auf den Markt. Mit einer Reichweite von 250 km in der schweren Variante soll der tägliche Verteilerverkehr ohne Zwischenladen möglich sein. 

 

Die elektrisch betriebenen Lkw-Modelle der Konzernschwester MAN, welche seit 2018 in den Ballungszenten von Österreich unterwegs sind, kommen auf etwa 190 km. Seit 2019 läuft der elektrische 26-Tonner eTGM in einer Kleinserie vom Band. 

 

MMit dem CF Electric von DAF Trucks nahm unlängst auch die niederländische Supermarktkette Jumbo den ersten elektrischen Lkw in Betrieb. Das Fahrzeug der Paccar-Tochter bringt es auf eine Reichweite von etwa 100 Kilometern und wurde für den Straßengüterverkehr von bis zu 37 Tonnen in städtischen Gebieten entwickelt. 

 

Renault Trucks bietet mit dem Renault Truck D Z.E. ein elektrisch betriebenes Nutzfahrzeug für den innerstädtischen und hier speziell für den stromverbrauchenden, temperaturgeführten Transport in einer 16-Tonnen-Ausführung an. Die Reichweite dieses Lkw beträgt bis zu 300 km. Für den Bereich Entsorgung gibt es darüber hinaus ein 26-Tonnen-Modell mit einer Reichweite bis zu 120 km. 

 

Ein ähnliches Konzept verfolgt auch Volvo Trucks mit dem kompakteren FL Electric sowie dem schwereren FE Electric. Einige dieser vollelektrischen Fahrzeuge wurden bereits 2019 an das Abfallentsorgungsunternehmen Renova und den Logistikanbieter DB Schenker ausgeliefert. Der E-Schwede bringt es auf eine Reichweite von 200 Kilometern. 

Bei aller Pionierleistung bleiben die E-Lkw wegen ihrer noch zu geringen Reichweite eine Lösung für die kurzen Wege im Verteilerverkehr. Der Einsatz auf der Langstrecke dürfte sich vor dem Hintergrund des derzeitigen Standes der Akku-Technologie noch verzögern. Die eingeschränkten Reichweiten sind der Grund, warum Flottenbetreiber die Umrüstung auf E-Flotten noch überwiegend kritisch sehen. Deren Bedenken möchte nun ausgerechnet Elon Musk ausräumen. Mit der wohl spektakulärsten Entwicklung aus dem Hause Tesla, dem Tesla Semi sollen auch längere Strecken zu bewältigen sein. Die Basisversion des „Megachargers“ von Tesla soll eine Reichweite von 480 Kilometern haben. Die Premium-Version schafft nach Angaben des Unternehmens sogar über 800 Kilometer. Ob Tesla damit im nächsten Jahr wieder einen „Gamechanger“ auf den Markt bringt, bleibt abzuwarten. 

 

Die Brennstoffzelle ist noch lange nicht tot.

 

Auch Konzepte zu Lkw, die mithilfe von Brennstoffzellen betrieben werden, sind keinesfalls vom Tisch. Neben der Emissionsfreiheit bei Stickstoffoxiden, CO2 und Feinstaub macht gerade der hohe System-Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle deren Einsatz für den Güterfernverkehr attraktiv. Eine Studie des Frauenhofer Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur aus dem Jahr 2017 mit dem Titel Brennstoffzellen-Lkw: kritische Entwicklungshemmnisse, Forschungsbedarf und Marktpotential“ machte allerdings auf einige Hürden aufmerksam, welche die Technologie noch nehmen muss. Bei Hyundai und Toyota scheint man bereits einen Schritt weiter zu sein. Die Koreaner wollen über einen Zeitraum von fünf Jahren eine Brennstoffzellen-Lkw-Flotte von 1.000 Fahrzeugen in der Schweiz testen. Der Hyundai Fuel Cell Electric Truck soll rund 400 Kilometer weit fahren können.  Und Toyota testet seit April 2017 Brennstoffzellen-Lkw in den USA. Gemeinsam mit dem US-Truck-Unternehmen Kenworth wird gerade eine neue Generation entwickelt, die etwa 480 Kilometer mit einer Tankfüllung fahren soll. Noch vielversprechender sind dazu die Aussagen des US-Start-Ups Nikola Motors. Die Amerikaner kündigten an, 2022 mit dem Nikola Tre einen Wasserstoff-Lkw auf dem europäischen Markt vorzustellen, der es auf eine beachtliche Reichweite von 1200 Kilometer bringen soll. 

 

Hybrid-Lösungen im Test.

 

Eine praktikable Zukunftslösung könnte das Projekt „e-Highways“ sein. Auf ersten Teststrecken auf der A1 in Schleswig-Holstein, der A5 in Südhessen sowie der B462 in Baden-Württemberg wurden Oberleitungen für Hybrid-Lkw errichtet und getestet. Scania hatte hierfür 15 Fahrzeuge gebaut. Stromabnehmer versorgen den Elektromotor des Lastwagens mit Strom und laden die Akkus während der Fahrt auf. Sensoren auf dem Lkw erkennen die Oberleitung und verbinden bzw. trennen die Abnehmer bei unveränderter Geschwindigkeit automatisch mit der Oberleitung. Nach Abschluss der Tests soll der Feldversuch für das Projekt "ELISA" (Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen) beginnen und bis voraussichtlich 2022 dauern. Optisch erinnert das Ganze zwar etwas an Elektrolokomotiven, aber solange es keine andere Lösung gibt, könnte sich die vergleichsweise unkomplizierte, wenn auch für die Öffentlichkeit nicht ganz billige Idee durchsetzen. 

Quelle: teslamotorsinc.sharepoint.com

 

Welcher Lösung am Ende auch die Zukunft gehören mag: der technische Fortschritt bei den elektrisch betriebenen Fahrzeugen beschränkt sich keineswegs nur auf das Pkw-Segment. Mit ihren ersten Modellen und Testläufen zeigen die großen Truck-Hersteller aber auch die Zulieferer eindrucksvoll, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Der Tag, an dem Elektro-oder Hybrid-Lkw die reinen Verbrenner ablösen werden, dürfte in nicht mehr allzu weiter Ferne liegen.  Continental gab übrigens jüngst die Marktreife eines neuen Reifens bekannt, der den veränderten Erfordernissen elektrisch betriebener Nutzfahrzeuge optimal entspricht.

In Teil 2 unserer Serie „Lkw der Zukunft“ berichten wir über den Stand und die Entwicklung selbstfahrender Lkw-Konzepte.