Um das Transportwesen innerhalb Europas effizienter und gerechter zu gestalten, hat das EU-Parlament nach über zweieinhalb Jahren zähen Verhandelns das sogenannte Mobilitätspaket 1 beschlossen. Die Maßnahmen betreffen neben der Seefahrt sowie dem Schienen- und Luftverkehr vor allem auch Transporte auf der Straße. Bei den geplanten Änderungen spielt der intelligente Tachograph eine zentrale Rolle.

 

Fairer Wettbewerb und soziale Standards

Auf folgende Aspekte des Lkw-Verkehrs legt die EU ihren Fokus:


1. Lenk- und Ruhezeiten

Grundsätzlich bleiben die bisherigen Regelungen bestehen, vor allem die Qualität der wöchentlichen Ruhezeiten soll für Fahrer aber gesteigert werden,
z. B. durch Bezahlung einer angemessenen Unterkunft durch das Unternehmen. Das Verbringen der regulären wöchentlichen Ruhezeit in der Fahrerkabine ist daher künftig untersagt. Internationale Fahrer dürfen ihre wöchentliche Ruhezeit in Zukunft zweimal hintereinander auf 24 Stunden reduzieren (statt bisher nur einmal). In dem Fall muss in der dritten Woche allerdings eine reguläre Ruhezeit von 4–5 Tagen folgen. Hierzu müssen Unternehmen ihren Fahrern sogar die Rückkehr ins Heimatland finanzieren.


2. Kabotage

Gewerblicher Güterverkehr durch ausländische Unternehmen, die in den entsprechenden Aufnahmestaaten weder Sitz noch Niederlassungen haben (Kabotage), soll einfacher geregelt, zeitlich klar begrenzt und besser kontrolliert werden. Nach wie vor sind pro Woche maximal drei Kabotage-Fahrten in einem EU-Mitgliedsland erlaubt. Danach jedoch ist das Fahrzeug in dem Land, in dem die Kabotage-Fahrten stattgefunden haben, für vier Tage gesperrt.


3. Entsendung von Fahrern

Fernfahrer, die in andere EU-Länder entsandt werden, um dort Transportdienstleistungen zu erbringen, sollen besser vor Ausbeutung geschützt werden. Das betrifft allgemeine Arbeitnehmerrechte, vor allem aber den Mindestlohn. Hier gelten immer die Lohn- und Sozialstandards des Landes, in das Fahrer entsandt werden – gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Ein wiederholter Verstoß gegen die Kabotage und Entsendungsregeln kann in Zukunft zum Verlust der EU-Gemeinschaftslizenz führen.


4. Marktzugang

Die Kriterien für den Zugang zum EU-Markt werden so angepasst, dass es sogenannten Briefkastenfirmen nicht mehr möglich sein wird, Fahrzeuge in einem Land mit geringen Steuern und niedrigem Lohn zu registrieren, diese jedoch hauptsächlich in Ländern mit lukrativer Vergütung fahren lassen. Zu diesem Zweck müssen Unternehmen proportional zur Flottengröße genügend Personal, Räumlichkeiten und Fahrzeuge sowie einen Firmensitz vorhalten. Im Ausland operierende Fahrzeuge sind spätestens nach acht Wochen ins Land der Niederlassung zurückzuführen. Das gilt auch für Kleintransporter und Sprinter.

 

Der intelligente Tachograph als Hauptinstrument der EU

Für die Durchsetzung der neuen Regeln setzt die EU voll auf den intelligenten Tachographen. Er soll die Behörden mit Standortdaten und Fahrzeiten versorgen. Damit kann sichergestellt werden, dass kein Lkw zu lang fährt und keine vorgeschriebenen Ruhezeiten verletzt oder Regelungen zur Überführung ins Heimatland missachtet werden.

Technisch gesehen wird es eine Erweiterung der Satellitenortung geben – zusätzlich zum bestehenden GPS und zum russischen GLONASS wird das neue europäische System Galileo etabliert. Continental entwickelt dazu bereits den DTCO® 4.1, der mit entsprechender Technik ausgestattet sein wird.


Tachographenpflicht wird ausgeweitet

Nach der neuen Regelung müssen bis 2026 auch Transporter ab 2,5 Tonnen im internationalen Verkehr mit einem Tachographen ausgestattet sein. Für DTCO® Werkstätten bedeutet das vor allem eines: Es wird in Zukunft nicht an Aufträgen mangeln! Mit der Etablierung des intelligenten Tachographen als wichtiges Kontrollinstrument im EU-Transportverkehr auf der Straße werden die kleinen Fahrtbegleiter unverzichtbar, sie müssen jedoch wie gehabt eingebaut und geprüft werden.


Außerdem: EU schlägt On-Board-Wiegesysteme für Lkw vor

Um auch die Überschreitung des jeweils zulässigen Gesamtgewichts von Lkw zu bekämpfen, fordert die EU in der Verordnung 2019/1213 die Mitgliedsstaaten auf, bis zum 27. 05. 2021 einheitliche Prüfverfahren zu etablieren. Dafür werden zwei Möglichkeiten festgelegt. Die erste Option sieht automatische Erfassungssysteme vor, die in die Straßeninfrastruktur integriert werden. Die andere Möglichkeit zur Kontrolle des Gesamtgewichts sind sogenannte On-Board-Wiegesysteme. Hierbei werden das Gewicht
und die Achslast im Fahrzeug, im Semitrailer sowie im Trailer automatisch erfasst und die entsprechenden Ergebnisse durch ein sicheres Signal an das Kontrollgerät übermittelt. Entscheidet sich ein Land für diese Variante, müssen die Daten ab 2024 dann auch per DSRC (Dedicated Short Range Communication) von Kontrollbehörden „im Vorbeifahren“ abrufbar sein.


Deutsche Experten sehen die Technik kritisch

Dass Deutschland eine Pflicht für On-Board-Wiegesysteme einführt, scheint zunächst unwahrscheinlich. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bemängeln, dass Messergebnisse – abhängig von Stillstand, Fahrgeschwindigkeit oder Neigungen – jeweils anders ausfallen. Auch wäre die vorgeschriebene Ein- bzw. Dreilast-Prüfung in den Werkstätten ein Problem, da die Fahrzeuge zu lang ausfallen würden.