Zeitstrahl-Neu2

Der Tachograph: Eine Erfolgsgeschichte der Entwicklung im Nutzfahrzeugcockpit

Kaum ein anderes Instrument im Nutzfahrzeugcockpit hat den Alltag auf den Straßen Europas so verändert wie der Tachograph. Durch ihn wurden der Wettbewerb in der Transportlogistik fairer, die Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal sicherer und das Management von Flotten immer effizienter. Und das schon seit 100 Jahren. Denn so weit reicht die Geschichte des VDO-Fahrtenschreibers zurück.

Erkunden Sie die Geschichte des Tachographen auf mehreren Ebenen:

Die Entwicklung des Produktes

 

Die technischen Grundlagen

 

Die Marke VDO

 

Die Gesetzgebung

1923

Die Anfänge

Autorex-Uhr-002-(1)

Die Anfänge

Der Tachograph unterscheidet sich von anderen Instrumenten wie dem Tachometer dadurch, dass er den Verlauf der gefahrenen Geschwindigkeit nicht nur misst, sondern auch „aufschreibt“. Deswegen kann die von der Kienzle Uhrenfabrik 1923 entwickelte Autorex-Uhr mit Fug und Recht als unmittelbarer Vorläufer des Fahrtenschreibers aus dem Hause VDO bezeichnet werden. Und sie sah auch so aus: Rund und mit Zeigern – nicht wie moderne Tachographen, die im radioförmigen Schacht im Armaturenbrett verschwinden. Die Anzeige der Autorex-Uhr nutzte einen gefederten Schreibstift, das sogenannte Rüttelpendel, das die Fahr- und Haltezeiten eines Fahrzeugs auf einer kleinen Diagrammscheibe erfasste. Sowohl Anzeige als auch Aufzeichnung waren also im selben System vereint. In der Weiterentwicklung hielt der Autograph (1926) zusätzlich schon die gefahrene Wegstrecke fest.

Unternehmens Geschichte

 

1883 heiratet sich Jakob Kienzle in die Uhrmacher Familie Schlenker ein und begründet damit die Schlenker & Kienzle Uhrenfabrik.

1927

Die TCO Reihe beginnt

Tachograf-TCO-2

Der erste seiner Art

Nachdem die Autorex-Uhr die Grundlage gelegt hatte, fehlte für den vollumfänglichen Fahrtenschreiber noch ein Schritt: Zusätzlich zu den Fahrt- und Haltezeiten musste die Fahrgeschwindigkeit gemessen und aufgezeichnet werden. 1927 war es dann so weit: Das erste Modell der VDO-Tachographenfamilie TCO (für Tachograph) kam zunächst in kleiner Stückzahl auf den Markt. Noch fehlte dem TCO 1 der Wegstreckenaufschrieb, was aber schnell behoben wurde. Die besondere Präzision dieses ersten und aller folgenden Tachographen basierte neben dem feinmechanischen Know-how aus Villingen auf der runden Kienzle-Diagramm-scheibe. Sie bestand aus reißfestem Papier mit einer Wachsbeschichtung, die von den im Schreibsystem verwendeten Spitzen eingedrückt wurde, sodass die Farbe des Grundpapiers durchschien. Ein präzises Uhrwerk sorgte dafür, dass sich die Scheibe drehte. So wurden im TCO 1 erstmals die unterschiedlichen Daten aus Geschwindigkeiten, Fahr- und Ruhezeiten sowie Fahrstrecke in einem kontinuierlichen Diagramm zusammengeführt

Der eichfähige Nachfolger

Spätestens mit dem Nachfolgermodell TCO 2 von 1933 waren alle konstruktiven Merkmale ausgeprägt, die von da an für Fahrtenschreiber typisch sein sollten, auch wenn sich das Äußere noch mehrfach veränderte. Im Vergleich zum TCO 1 wurden nun verschleißfreie Saphirstifte auf einer verbesserten Schreiberführung eingesetzt. Zudem hatte das Modell eine optimierte Geschwindigkeitsmessung sowie eine eigene Wegstreckenaufzeichnung, die sich unter anderem im Tageskilometerzähler unterhalb des Zifferblatts im Deckel niederschlug. Übrigens: Der TCO 2 war der erste eichfähige Kienzle-Tachograph und wurde bis 1963 gebaut."

Simpel wie Einfach

Die mechanischen Modelle des Tachographen bestanden bis in die 1970er-Jahre aus denselben Grundkomponenten: ein Uhrwerk, verschiedene Messsysteme, eine Verbindung zum Fahrzeugantrieb, eine Diagrammscheibe. Für die Messung der Geschwindigkeit wurden über die Jahrzehnte aber unterschiedliche Technologien verwendet. Das sogenannte Fliehpendelprinzip kam bis in die 1950er-Jahre zum Einsatz. Hier drehen sich, über eine Welle angetrieben, zwei Pendelgewichte als Schwungmassen um eine Achse. Dabei hängt ihre Entfernung von der Achse von der Drehzahl des Antriebs ab: je höher die Drehzahl, desto größer die Fliehkraft, desto größer die Entfernung und damit auch der Ausschlag auf der Diagrammscheibe. Der Vorteil dieser Technologie: Die nötigen Skalen- und Diagrammeinteilungen waren relativ einfach festzulegen, weil die Temperatur keine Auswirkungen auf das System hatte und es ohne größere Reibungsverluste arbeiten konnte. Gleichzeitig war jedoch der Messbereich beschränkt, die Anzeigegenauigkeit konnte durch Fahrerschütterungen gestört werden, die Geräuschbelastung im Betrieb war hoch, und auch in der Fertigung benötigte diese Technologie ein erhebliches Maß an Präzision.

Unternehmens Geschichte

1928 Mit der Ausgründung der Kienzle Taxameter und Apparate AG in Villingen trennt sich das Apparategeschäft von der Uhrmacherei.

1929 Eintrag des Markenzeichens „VDO“ nach dem Zusammenschluss der Deutschen Tachometer-Werke und der Offenbacher Tachometer-Werke zur Vereinigten DEUTA-OTA (VDO)

 

 

1935

Ein Serienhit

Autograf-AU-45-004-Vergroessert

Ein Serienhit

Heute kaum vorstellbar, waren die ersten Tachographenmodelle noch außen am Instrumentenbrett angebracht. Das änderte sich Mitte der 1930er-Jahre mit den Modellen TCO 6 bzw. 7, die erstmals komplett rund waren und daher in die Instrumententafel eines Nutzfahrzeugs eingebaut werden konnten. Ab 1936 konnten so auch die Nutzfahrzeughersteller den Tachographen als Ausstattungsmerkmal ab Werk anbieten. Den Anfang machten die Lastwagen aus dem Hause Krupp, die serienmäßig über Tachographen dieser Bauform verfügten. Neu war zudem die Geschwindigkeitsanzeige rund um die Zeituhr.

Erste Regeln für den Güterfernverkehr

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch keine spezifischen Verkehrsgesetze für Kraftfahrzeuge: Das Auto war als Luxusgut den Reichen und Mächtigen vorbehalten, und sie mussten sich schlicht an die Regeln halten, die auch für Pferdefuhrwerke galten. Als dann aber Anfang der 1930er-Jahre auch der Lieferverkehr immer weiter motorisiert wurde und die Zahl der Lastwagen auf den Straßen Deutschlands stieg, war es Zeit für ein erstes „Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen“. Es wurde 1935 verabschiedet und sah unter anderem vor, dass Transportunternehmen und Spediteure staatlich zugelassen werden und dem „Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband“ beitreten mussten. Dieser kümmerte sich unter anderem darum, dass die Transporttarife eingehalten wurden. Bei Verstößen winkten umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten bis hin zum Konzessionsentzug. In den Jahren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden weitere Verordnungen verabschiedet, die auch den Güterverkehr betrafen: Die Arbeitszeitverordnung des Reichsarbeitsministeriums machte es zur Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen – oder alternativ einen Fahrtenschreiber ins Fahrzeug einzubauen. Und die „Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrzeugunternehmen im Personenverkehr“ schrieb ab 1939 die Nutzung eines Tachographen in allen Omnibussen im Gelegenheitsverkehr vor

Effizienz im Transportverkehr

Gerade weil es noch keine gesetzliche Pflicht zur Überwachung von Fahrzeugen gab, mussten die potenziellen Kienzle-Kunden vor 100 Jahren noch vom Mehrwert des Tachographen überzeugt werden. In der Weltwirtschaftskrise 1928/1929 hatten sie vermutlich auch andere Sorgen. Aber genau hier lag ein erster Ansatz, um auf den Nutzen des Fahrtenschreibers hinzuweisen: Effizienz. Denn wo Ressourcen und Rohstoffe knapp und/oder teuer waren, konnte man mithilfe der Informationen zu gefahrener Strecke, Geschwindigkeit und Fahrt- bzw. Haltezeiten die Fahrerinnen und Fahrer zu einem ökonomischeren Fahrstil anhalten. Verstärkt wurde dieses Argument ein Jahrzehnt später, als in den Monaten vor und während des Zweiten Weltkriegs im Sinn einer autarken deutschen Volkswirtschaft verstärkt Wert auf den sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit wichtigen Import-Rohstoffen wie Erdöl oder Kautschuk gelegt wurde. Um dieses Argument zu untermauern führte Kienzle in dieser Zeit umfangreiche Versuchsfahrten durch, bei denen dieselbe Strecke mit demselben Fahrzeug mit unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten befahren wurde – belegt durch die Aufzeichnungen des Tachographen. Das Ergebnis: Eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit hatte einerseits kaum Auswirkungen auf die Gesamtfahrtzeit, andererseits aber dramatische Effekte auf den Kraftstoffverbrauch mit bis zu 30 Prozent Ersparnis. Hinzu kamen der geringere Reifenverschleiß sowie die seltenere Wartung und Reparatur. Der Tachograph hat also wesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Transportverkehrs beigetragen.

Der Tachograph hat wesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Transportverkehrs beigetragen

1952

Offizielles Kontrollinstrument

Fahrtschreiber-TCO11-Vergroessert

Jetzt auch offizielles Kontrollinstrument

Die zu erwartende Einbaupflicht für Fahrtenschreiber in Nutzfahrzeugen motivierte die Villinger Entwicklerinnen und Entwickler Anfang der 1950er Jahre dazu, ihre Tachographen weiter zu verbessern. 1952 kam der TCO 8 auf den Markt, in dem die Geschwindigkeitsskala wesentlich vergrößert und damit übersichtlicher gestaltet war. Neben der klassischen Ein-Tag-ein-Fahrer-Ausführung wurde der Fahrtenschreiber auch als automatisches Sieben-Tage-Gerät, mit einem Wechselzähler sowie einer Fahrerwechselregistrierung angeboten. So musste die Diagrammscheibe nicht jeden Tag gewechselt werden, wenn eine Fahrerin oder ein Fahrer eine ganze Woche im selben Fahrzeug unterwegs war. Auch Geschwindigkeitswechsel behielt das Gerät in Abständen von 10 km/h im Auge und gab damit Auskunft über die Fahrweise: Je weniger Wechsel bei gleicher Fahrstrecke, desto gleichmäßiger und damit ressourcenschonender war die Fahrt.

Der Start der Wirbelstrom Tachographen

Parallel zum TCO 8 arbeitete die Kienzle-Entwicklungsabteilung aber auch schon am ersten Fahrtenschreiber, der auf dem Wirbelstrom-Prinzip basierte. Die erste Kleinserie des TCO 11 wurde 1954 produziert, anschließend auf Herz und Nieren getestet und in den Folgejahren weiter verbessert. Mit dem TCO 11-4 wurde der Welt 1960 das erste ausgereifte Standardmodell eines Wirbelstrom-Tachographen vorgestellt. Bis zur IAA 1963 konnten die Villinger Expertinnen und Experten durch die Umsetzung einer zeitrichtigen Diagrammscheibe schließlich eine weitere Manipulationsmöglichkeit beseitigen. Neben dem TCO 11 entstand mit dem TCO 14 in diesen Jahren ein Fahrtenschreiber, der die Wirbelstromtechnologie auch für die Drehzahlregistrierung nutzte. Als Universalgerät in unterschiedlichsten Motor- und Fahrzeugtypen einsetzbar, gab es Fahrerinnen und Fahrern wichtige Hinweise zu ihrer Fahrweise: Befand sich der Zeiger im grünen Bereich der Gerätefarbskala, wurde der Motor geschont. Wer dauerhaft im roten Bereich fuhr, konnte dem Fahrzeug jedoch nachhaltig schaden.

Ein Baukasten, Viele Möglichkeiten

1970 löste der TCO 15 die Modelle der 1950er-Jahre ab. Er wurde auch als Baukastentachograph bezeichnet, weil er in verschiedenen Varianten angeboten wurde und seine normale Geschwindigkeitsregistrierung je nach Kundenwunsch mit unterschiedlichen Funktionen kombinierbar war: Drehzahlregistrierung und/oder Zeitgruppenregistrierung, Balken- oder Stufendarstellung, Ein-Tages- oder Sieben-Tage-Erfassung, ein oder zwei Fahrer. Gemeinsam war allen Modellen, dass sie mit einem elektronischen Uhrwerk ausgestattet waren und die aufgezeichneten Daten zu Arbeits- und Lenkzeit sowie der Wegstrecke nun erstmals elektronisch auswertbar waren.

Das Wirbelstrom Prinzip

Im Gegensatz zu den Fliehkräften, die im alten Pendelsystem des Tachographen genutzt wurden, basierte das neue Messsystem ab den 1970er-Jahren auf der Kraft eines Magnetfelds. Beim Wirbelstrom-Prinzip wird die Drehzahl über eine Welle an einen umlaufenden Magneten übertragen, der sich dadurch ebenfalls dreht und einen Wirbelstrom erzeugt. Dieser bewegt eine Metallscheibe, an der eine Achse angebracht ist, gegen den Widerstand einer geeichten Spiralfeder mit und steuert dadurch einen Zeiger über ein Zifferblatt. Der Ausschlag hing also nicht mehr von der Entfernung eines Pendels von einer Achse ab, sondern von der Stärke des Magnetfelds und der Gegenkraft der Feder. Weil aber die Leitfähigkeit sowohl des Magneten als auch der Messtrommel direkt von der Umgebungstemperatur beeinflusst wird, muss ein eingebautes Kompensationsmaterial diesen Effekt ausgleichen. Das ist ein Grund, warum sich die Wirbelstromtechnologie zunächst in Nutzfahrzeuganwendungen nicht durchsetzen konnte, obwohl sie schon Anfang des 20. Jahrhunderts ausgereift war: Die zur Verfügung stehenden Magnetwerkstoffe reichten 1910 noch nicht aus, um die nötige mechanische Kraft für das Schreibwerk aufzubringen.

Der Ausschlag hängt von der Stärke des Magnetfelds und der Gegenkraft der Feder ab

Das erste nationale Gesetz

Anfang der 1950er-Jahre hatte die Zahl der Verkehrsunfälle mit Todesfolge eine besorgniserregende Höhe erreicht – viele davon verursacht von übermüdeten Berufskraftfahrerinnen und -fahrern. Um sie zu einem vorsichtigeren Fahrverhalten zu ermutigen, Unfälle zu verhüten und dadurch für mehr Sicherheit auf den Straßen der BRD zu sorgen, verabschiedete der Bundestag den neuen Paragraphen 57a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StZVO). Demnach mussten bis Ende 1953 alle Lkw ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen, Omnibusse ab 14 Sitzplätzen sowie Zugmaschinen mit einer Leistung ab 25 PS mit einem eichfähigen Fahrtenschreiber ausgerüstet werden, der während der Fahrt ununterbrochen in Betrieb sein musste. Auf den Diagrammscheiben mussten der Name der Fahrerin oder des Fahrers, der Ausgangspunkt und das Datum der Fahrt sowie der Stand des Wegstreckenzählers zu Beginn und am Ende der Fahrt festgehalten werden. Außerdem hatte die Fahrzeughalterin bzw. der Fahrzeughalter die Pflicht, die Diagrammscheiben für ein Jahr aufzubewahren, um sie den zuständigen Behörden auf Verlangen vorzeigen zu können.

1974

Der erste Europäische Tachograph

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Der erste Europäische Tachograph

Die wichtigste Weiterentwicklung des Kienzle-Tachographen in den 1970er-Jahren war der TCO 1311 – der erste Fahrtenschreiber, der nach den speziellen Anforderungen der aktuellen EWG-Verordnung konzipiert und in der gesamten Europäischen Gemeinschaft eingesetzt werden konnte und sollte. Er wurde erstmals auf der IAA 1973 vorgestellt und ging Mitte 1974 in Serienfertigung, rechtzeitig vor den vorgegebenen Umstellfristen. Der EC-Tachograph zeichnete neben der Wegstrecke und Geschwindigkeit auch die Arbeits-, Lenk-, Ruhe- und Präsenzzeiten sowie deren Unterbrechungen auf. Und er registrierte jede Gehäuseöffnung, sodass auch der Zugriff auf die Diagrammscheiben lückenlos nachvollzogen werden konnte. Auch technisch machte der TCO 1311 einen Schritt vorwärts und profitierte von einem Impulsgeber, der am Getriebestutzen angebracht war und die mechanische Drehbewegung des Motors elektronisch an den Fahrtenschreiber weitergab – mit positiven Effekten auf die Messgenauigkeit. Dieser Kienzle Tachograph Sensor (KITAS) wird auch heute noch genutzt. Zudem war durch die nun fehlende Welle der Geräteeinbau wesentlich leichter.

Elektronisch gesteuert, Mehr Funktionen

Mitte der 1980er-Jahre hielt schließlich die vollständig elektronische Steuerung Einzug in den Fahrtenschreiber: Der Kompakttachograph KTCO 1318 verfügte über zusätzliche kodierte Datenein- und -ausgänge, durch die erstmals weitere Funktionen möglich waren. So konnten zum Beispiel ankommende Impulse auf eventuelle Manipulationsversuche überprüft werden. Gleichzeitig konnten über die Datenausgänge andere Geräte mit Informationen zu Geschwindigkeit und Wegstrecke versorgt werden.

Einheitliche Regeln für Europa

Bis zum Ende der 1960er-Jahre hatten viele europäische Länder ihre eigenen Gesetze zur Fahrtenschreiberpflicht für Nutzfahrzeuge verabschiedet. Die Regelungen waren aber so unterschiedlich und der Anstieg im überregionalen und zwischenstaatlichen Transportverkehr so hoch, dass zu Beginn der 1970er-Jahre die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) dringenden Bedarf für eine Harmonisierung sah. Das Ziel: gleiche Wettbewerbsverhältnisse im europäischen Transportgewerbe. Zunächst wurde 1969 die EWG-Verordnung 543/69 über die „Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften in der europäischen Gemeinschaft“ beschlossen, die Regeln zum Fahrpersonal, zur Gesamtdauer und -fahrtstrecke sowie zu Lenk-, Arbeits- und Ruhezeiten aufstellte. Zudem sollte ein Fahrtenschreiber diese Daten automatisch aufzeichnen. Im Juli 1970 konnte dann schließlich die „Verordnung über die Einführung eines Kontrollgeräts im Straßenverkehr“ (VO Nr. 1463/70) in allen Mitgliedsländern in Kraft treten. Nach ihr musste in allen Lkw ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht sowie allen Bussen ab neun Plätzen ein Fahrtenschreiber eingebaut werden. Die Übergangsfristen waren aber großzügig: Neuzulassungen mussten diese Regelung ab 1975 umsetzen, ältere Fahrzeuge ab 1976 und Fahrzeuge, die schon eine älteres Tachographenmodell an Bord hatten, konnten sich bis zum Ende des Jahrzehnts Zeit lassen.

Unternehmens Geschichte

1981 Nach fast einem Jahrhundert in Familienhand begibt sich die Kienzle Apparate GmbH erstmals in eine Konzernumgebung und wird Teil der Mannesmann AG.

1992

Rund ist out, flach ist in

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Rund ist out, flach ist in

Anfang der 1990er-Jahre näherte sich der Fahrtenschreiber aus dem Schwarzwald seiner heutigen flachen Form an: Als Flachtachograph FTCO 1319 konnte er ab 1992 problemlos im Armaturenbrett eines Nutzfahrzeugs integriert werden. Anstatt unter einem Deckel verschwand die Diagrammscheibe nun über einen Einzugsmechanismus im Tachographen und wurde dort in die richtige Position gebracht.

Das digitale Zeitalter beginnt

Die IAA 1997 markierte einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Tachographen. Zum einen war mit dem dort vorgestellten modularen Fahrtenschreiber MTCO 1324, der in das genormte Radiofach passte, die alte Rundform endgültig passé – Fahrzeugdesignerinnen und -designer freuten sich auf die neue kreative Freiheit. Auch das digitale Zeitalter begann mit der Anzeige aller Fahrdaten über ein digitales Display – damit war die Trennung zwischen Aufzeichnungs- und Anzeigegerät vollzogen. Aber auch für die Diagrammscheibe als mechanisches Speichermedium waren die Tage gezählt. Neben dem MTCO präsentierte das Unternehmen nämlich zusätzlich eine erste Version des digitalen Fahrtenschreibers DTCO, der allen geplanten, in der neuen EG-Verordnung festgelegten Vorgaben entsprach. Auf ihm wurden die Daten von bis zu zwölf Monaten auf einem Chip gespeichert.

Sicherheit im Straßenverkehr

Spätestens in den 1950er-Jahren wurde ein weiterer Nutzen des Kienzle-Tachographen deutlich: Sicherheit. Das Tempolimit von 50 km/h innerorts wurde erst 1957 (wieder) eingeführt, das generell gültige Maximaltempo außerhalb geschlossener Ortschaften folgte erst in den 1970er-Jahren. Zudem waren die Lenk- und Ruhezeiten für Berufskraftfahrerinnen und -fahrer bis dato gar nicht geregelt. Die Folge: steigende Unfall- und Opferzahlen im Straßenverkehr – nicht selten verursacht durch übermüdetes Fahrpersonal. Die Politik erhoffte sich von der Einführung der Fahrtenschreiberpflicht eine technische Unterstützung für die Unfallverhütung zumindest im Bereich der Nutzfahrzeuge. Das Fachmagazin „Lastauto und Omnibus“ konstatierte dem Tachographen 1953 einen „erzieherischen Wert“, weil er es der Polizei sowie Fuhrparkbetreibern erlaubte, Fahrerinnen und Fahrer hinsichtlich der Einhaltung der Regeln zu kontrollieren. Der Fahrtenschreiber war also ein Instrument der Sicherheitstechnik.

Der Fahrtenschreiber ist ein Instrument der Sicherheitstechnik

Unternehmens Geschichte

1991 Der Mannesmann-Konzern wird Mehrheitseigentümer der VDO Adolf Schindling AG, dem zweitgrößten Autozulieferer in Deutschland nach Bosch.

1997 Mannesmann vereint die eigentlich recht unterschiedlichen Produktportfolios von VDO und Kienzle im Bereich Fahrzeuginstrumente in der Mannesmann VDO AG.

Eine Verordnung für das digitale Zeitalter

Mit der Entwicklung des Tachographen hin zu einem digitalen Aufzeichnungsgerät, das die Daten auf Chipkarten festhielt, war auch eine entsprechende Anpassung der Gesetze nötig. Ursprünglich war die Umstellung auf die neue Gerätegeneration bis zum Jahr 2000 angepeilt – letztlich brauchte man für die Verhandlungen aber ein gutes Jahrzehnt und verpasste den Stichtag um ganze sechs Jahre. Die neue Verordnung VO (EG) Nr. 561/2006 über das digitale Kontrollgerät trat zum 1. Mai 2006 in Kraft. Seitdem müssen alle tachographenpflichtigen Neufahrzeuge mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sein. Betroffen waren, wie schon in der ersten europaweiten Verordnung, Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Höchstmasse einschließlich Anhänger/Auflieger sowie Fahrzeuge zur Beförderung von mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers.

2006

Voll digital

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Vollständiges Computer System im Radioformat

Die erste Generation des digitalen Tachographen DTCO ist ein vollständiges Computersystem mit integriertem Display für die Menü- und Bedienerführung, Drucker, Echtzeituhr, frontseitigen Prüf-, Diagnose- und Info-Schnittstellen, CAN-Schnittstelle sowie Schnittstellen für den Anschluss des Kombiinstruments. Seit 2006 auf dem Markt ist er auch heute noch weit verbreitet. In ihm werden alle Angaben über Fahrerinnen und Fahrer sowie Fahrten auf einem geräteinternen Massenspeicher mit einer Kapazität von bis zu einem Jahr gesichert. Zusätzlich werden fahrerbezogene Daten, wie die Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten, auf Chipkarten für einen Zeitraum von 28 Tagen festgehalten. Für alle nötigen Kontrollprozesse ist der Zugriff auf die Tachographendaten klar geregelt: Fahraktivitäten, Ereignisse, Störungen und Fahrzeugwechsel werden auf der Fahrerkarte gespeichert. Eine Unternehmenskarte erlaubt das Auslesen der Fahrzeugdaten aus dem Massenspeicher sowie der Daten aus gesteckten Fahrerkarten. Kontrollkarten ermöglichen Behörden den Zugriff auf gesetzesrelevante Informationen. Und Werkstätten können zu Test- und Prüfzwecken über eine spezielle Werkstattkarte die Kalibrierfunktion des digitalen Tachographen freischalten.

Unternehmens Geschichte

2001 Siemens akquiriert in Folge der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone den Geschäftsbereich und führt ihn als Siemens VDO Automotive AG weiter.

2007 Continental übernimmt die gesamte Unternehmensgruppe Siemens VDO und führt das Kerngeschäft mit Fahrzeugtechnik für Nutzfahrzeuge bis heute in Villingen weiter.

2019

Die intelligente Generation

DTCO-4.1

Digital und intelligent

Seit 2019 ist mit dem DTCO 4.0 die zweite Generation des digitalen Tachographen von VDO auf dem Markt, auch als intelligenter Tachograph bekannt. Er verfügt neben einer umfangreichen Datenerfassung und einem erhöhten Datenschutz unter anderem über die GNSS-Positionsbestimmung (Global Navigation Satellite Systems). Mittels DSRC-Fernkommunikation (Dedicated Short Range Communication) können Kontrolldaten auch im Vorbeifahren abgerufen werden. Sein Nachfolger, der DTCO 4.1, feiert im Jahr 2023 seine Premiere – genau 100 Jahre nachdem die Autorex-Uhr im Schwarzwald zum ersten Mal die Fahr- und Haltezeiten eines Nutzfahrzeugs festhielt. Neben den klassischen Tachographendaten wie Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten etc. wird dieser Fahrtenschreiber nicht nur Grenzübertritte automatisch erfassen und dadurch insbesondere Kabotagefahrten und Entsendungen von Fahrerinnen und Fahrern besser dokumentieren können. Mit ihm wird auch die Basis gelegt für viele weitere Funktionen, von der Ladungskontrolle über die optimierte Frachtallokation bis zur harmonisierten europäischen Mautabrechnung – eben ein wirklich intelligenter Tachograph.

Datenschatz im Fahrzeug

Neben Effizienz und Sicherheit hat der Tachograph noch einen weiteren Nutzen, der über die Jahrzehnte immer größeren Wert annahm: Daten. Denn die im Fahrtenschreiber gesammelten Informationen konnten seit den 1950er-Jahren systematisch ausgewertet und für unterschiedliche Zwecke angewendet werden – angefangen bei der verlässlichen Schuldklärung im Rahmen von Gerichtsverfahren. Denn mit der genauen Auswertung von Diagrammscheiben konnten exakte Geschwindigkeiten, Beschleunigungs- und Bremswerte bei Unfällen rekonstruiert werden. Zudem dienten die aus dem System gewonnenen Daten in dieser Zeit den ersten interessierten Unternehmen bei der betriebswirtschaftlichen Optimierung ihrer Flotten. Als in den 1980er-Jahren die Fahrzeugdaten direkt digital erfasst wurden, entstanden auf dieser Basis die ersten elektronischen Fuhrparkmanagementsysteme wie das FMS 1330 von Mannesmann Kienzle, das auf den elektronischen Fahrtenschreiber zurückgriff und die unterschiedlichsten Fahrzeuginformationen zentral erfasste, speicherte und weiterverarbeitete. Diese Daten dienten nicht nur den Fahrerinnen und Fahrern als Orientierung, sondern sie waren für Fuhrparkunternehmen die Grundlage für weitergehende Prozesse, zum Beispiel für Disposition, Wartung, Entlohnung oder Controlling. Heute haben die im Tachographen aufgezeichneten Fahrdaten eine doppelte Bedeutung: Zum einen erfüllen sie die gesetzlichen Bestimmungen der Europäischen Union über die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten. Zum anderen sind die im Fahrtenschreiber gespeicherten Daten wertvolles Rohmaterial für alle Fuhrparkunternehmen. Die Tachographendaten sind also die Wegbereiter für die weitere Entwicklung und Zukunft einer effizienten und sicheren Transportlogistik.

Die Tachographendaten sind die Wegbereiter für die weitere Entwicklung und Zukunft einer effizienten und sicheren Transportlogistik

Fairer und sicherer Wettbewerb auf den Straßen Europas

Bessere Arbeitskonditionen, gleiche Wettbewerbsbedingungen und mehr Sicherheit im Straßenverkehr – das sind die Ziele des EU Mobilitätspakets 1. Mit ihm treten verschiedene neue Bestimmungen in Kraft, die seit August 2020 sukzessive umgesetzt werden. Neben Verbesserungen beim Thema Ruhezeit, die vor allem den Fahrerinnen und Fahrern zugutekommen, regelt das EU Mobilitätspaket 1 vor allem die Pflichten zum Nachweis von Kabotagefahrten und der Entsendung von Fahrpersonal. Um diese Normen kontrollieren und durchsetzen zu können, kommt ab 2023 der neue intelligente Tachograph der zweiten Version zum Einsatz. Bis August 2025 müssen ihn neue und die bisher im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzten Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen sukzessive einbauen. Neu ist, dass auch Nutzfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 2,5 Tonnen, die im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden, ab Juli 2026 mit dem intelligenten Tachographen (zweite Version) ausgestattet sein müssen.


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